Langsamen Schrittes mit neugierigem, beeindruckten Blick, gelassen und nach tiefen Gefühlen strebend - so wandert man durch die kleinen Dörfer und die unberührte Natur Sardiniens, versunken in gediegene, entspannte Atmosphäre fernab der Menschenmassen und Gereiztheit. Das ist das wahre, authentische Gesicht eines mystischen Landes, wo deutlich die materiellen und nicht materiellen Spuren der Geschichte und Gläubigen auch Jahrhunderte und sogar Jahrtausende später wahrzunehmen sind, und auch heute noch die tiefe Verehrung der Wanderer, Pilger und Besucher dieser Stätten vermitteln. Archaische Zeugnisse sind unweigerlich mit Legenden, traditionellen Riten, Naturkenntnissen, Kunst und Essen verknüpft. Auf den Spuren der Heiligen und Märtyrer, Antike und Moderne, erlebt man Situationen, in denen Vergangenheit und Gegenwart in einer Zeit verschmelzen, die stillzustehen scheint, und wo man von Gemeinschaften aufgenommen wird, denen die Gastfreundschaft heilig ist.
Erinnerung und Andacht. Alte Pfade, Saumpfade und stillgelegte Bahnstrecken des Bergwerkpfades Santa Barbara, dem einzigen Pfad auf Sardinien, der in die Karte der italienischen Wanderwege aufgenommen wurde, werden Sie durch steile Klippen, Sanddünen, Wälder und einst an Vorkommen reichen Erhebungen begleiten, die heute zum geologisch- bergbaulichen Park Sardiniens gehören. Anfang Mai hält Sardinien inne, um der Ereignisse seines kriegerischen Märtyrers zu gedenken. Eine feierliche, majestätische und besonders farbenfrohe Prozession, die seit fast vier Jahrhunderten in gleicher Weise wiederholt wird, zählt zu den ältesten und längsten der Welt: Sie kann man das ganze Jahr über auf dem Cammino di Sant’Efisio, von Cagliari bis zur kleinen Kirche von Nora, dem Ort des Martyriums, neben den Ruinen der alten phönizisch-punischen sowie römischen Stadt nachvollziehen. Ebenfalls in Cagliari beginnt die Route der Christianisierung des Heiligen Georg, dem Bischof von Suelli, der zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert lebte, die durch Dutzende von kleinen und großen Orten, von Campidano zur Trexenta bis hin zur Hochebene von Sarcidano sowie zur Ogliastra und Barbagia führt.
Sie ist der am stärksten gegliederte und längste Glaubensweg Sardiniens, der an Santiago de Compostela inspiriert ist. Der Cammino di Santu Jacu verläuft in vier Routen, die die gesamte Insel durchqueren. Die Route der Via dei Santuari hingegen verbindet Landkirchen, die bei den Feierlichkeiten zu Ehren der Heiligen mit Lichtern, Farben und Düften geschmückt werden, denen die Novenen der Pilger vorausgehen, die in den Muristenes oder Cumbessias einquartiert sind. Von San Salvatore di Sinis zu den Granitlandschaften der Gallura, vorbei an Santa Cristina in Paulilatino, San Mauro in Sorgono, Nostra Signora di Gonare, der „höchsten“ Kirche Sardiniens, und San Francesco di Lula. Vom Hinterland zur Küste: Haben Sie schon jemals daran gedacht, die Insel zu Fuß zu umrunden? Dazu gibt es den 1000 Türme-Pfad. Seine spirituelle Vormachtstellung spiegelt sich in den unzähligen ländlichen Wallfahrtsorten wider, die über die Küste verstreut sind, doch das prägende Element ist das System der Verteidigungsanlagen, die von der spanischen Herrschaft errichtet wurden, um Piratenüberfälle abzuwehren.
Ein erfahrungsreiches Erlebnis, eine kulturelle ebenso wie spirituelle Bereicherung in unvergleichlich schöner Natur. Die franziskanischen Stätten auf Sardinien sind Inbegriff der „idealen“ Reiseroute, zu der 15 Inselorte zählen. Bei deren Besuch folgt man den unauslöschlichen Spuren, die der franziskanische Orden auf seinem Weg hinterlassen hat. Der „Cluster“ umfasst Städte, wie Alghero, Cagliari, Iglesias, Oristano und Sassari, Küstenorte wie Bosa und Castelsardo, „spirituelle Orte“, wie Gesturi, Laconi, Luogosanto und andere Zentren im Landesinneren und an der Küste, die im Mittelpunkt von franziskanischen Ereignissen gestanden sind: Bottidda, Fonni, Mores, Pula und Sanluri. Die typische Gastfreundschaft der Kapuziner-, Minoritenmönche und Franziskaner-Minoriten trägt zum Gefühl des inneren Friedens bei. Diese kontemplative Dimension wird durch die Stille der Orte, die Gastfreundschaft der dort lebenden Menschen sowie die Ursprünglichkeit ihrer Traditionen gekrönt.
Die ersten Franziskaner kamen im 13.Jahrhudnert nach Sardinien. Zu den ersten Anlegestellen gehört Luogosanto, dessen Name an sich bereits sehr vielsagend ist, und genauer gesagt eine friedvolle, stille Einsiedelei in einer Grotte, in der die Heiligen Nikolaus und Trano gelebt haben sollen. Nicht weniger als 21 weitere Heiligtümer zeugen von der glühenden Religiosität der Gemeinde Luogosanto, begonnen von der Basilika Nostra Signora di Gallura, die für das Privileg der Heiligen Pforte berühmt ist. Das Dorf der Gallura ist das nördlichste einer Reihe von „berufenen“ Orten, die zu Pilgerstätten Sardiniens „auserwählt“ wurden. Jede hat ihre besonderen Merkmale, jede ist mit bedeutenden Persönlichkeiten der sardischen Kirche, Heiligen oder Seligen verbunden, jede ist ein Ausgangspunkt für Routen zur Erkundung des Gebiets. Laconi in der Hochebene des Sarcidano, ist ein von Wäldern und prähistorischen Überresten umgebener „Ort des Glaubens“, in dem der heilige Ignatius geboren wurde und lebte. Nicht weit davon entfernt, in Gesturi, in der Marmilla, wurde der selige Nikolaus geboren.
Ihre Geburtsorte sind Museen und Oasen der Spiritualität, deren Kulisse traumhafte Landschaften bildet.
Am Fuße des Supramonte, erzählen die Wandmalereien von Orgosolo Geschichten vom Kampf gegen Gewalttaten. Ein Symbol dafür war die ganz junge selige Antonia Mesina, die bis zum Ende um ihre Keuschheit kämpfte. Dort wo sie einst ihr Leben ließ, ist heute ein Ort des Gebets und der Besinnung. Eine andere Frau, Maria Gabriella Sagheddu, trug beispielhaft zum starken spirituellen Einfluss von Dorgali bei. Das spürt man in den engen Gassen des Dorfes und in seinem unermesslichen Gebiet, das zwischen schroffen Erhebungen und der bezaubernden Küste des Golfs von Orosei „schwebt“. Galtellì, ein bezaubernder Ort, dem Grazia Deledda ihrem „Schilf im Wind“ huldigt, ist ein Ort der Verehrung für los milagros (Wunder) des Allerheiligsten Kreuzes aus dem Jahre 1611, das in einer der zahlreichen Kirchen aufbewahrt wird. Es ist auch die Heimat der sos gozzos, der liturgischen Gesänge, die Wanderungen und Prozessionen begleiten, wie auch jener, die auf den Gipfel des Berges Tuttavista führt, wo eine riesige Christusstatue thront.
Sardinien ist das Land der Märtyrer, von Ephysius und nicht nur. Die ersten Evangelisierer hinterließen Legenden, Denkmäler und Traditionen, und die mit ihnen verbundenen Orte sind seit jeher Pilgerstätten. Sant’Antioco und Porto Torres zum Beispiel verbindet deren außergewöhnliche Verehrung zweier heiliger Märtyrer. Antiochus, der Schutzpatron Sardiniens, gab der Insel und dem Städtchen von Sulcis seinen Namen, und ihm ist eines der ältesten Feste Europas gewidmet. In Porto Torres erhebt sich die größte romanische Basilika der Insel, die San Gavino geweiht ist. Der Andachtsweg führt unter anderem an der malerischen kleinen Kirche von Balai nahe dem Ort vorbei, wo vermutlich der Märtyrer begraben wurde.
Er schließt mit einem Gefühl von Erhabenheit und gelassener Einfachheit ab, die San Pietro di Sorres im logudorischen Dorf Borutta prägen. Hand in Hand mit dem Reiz der Kirche geht der brüderliche Empfang der Mönche des Benediktinerklosters.