So wird es seit jeher zubereitet: Hartweizenmehle, die von Hand mit Wasser und Salz verarbeitet werden, langsames Aufgehen des Sauertags vorheriger Zubereitungen, gebacken im Holzofen. Dieselben Gesten und Zutaten, aber unzählige Formen, Aromen und Verwendungen. Früher wurde Brot in regelmäßigen Abständen gebacken, je nach Bedarf und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Familien. Brot wurde nach jahrhundertelang bewährten Methoden gebacken, die uns bis heute überliefert sind. Anlässlich von Festen und Feierlichkeiten wurde auch „Spezialbrot“ gebacken. Die Zubereitung war (und ist) ein wahres Gemeinschaftsritual: An dieser Arbeit sind die Hausherrin, die Töchter und alle Frauen der Familie beteiligt, oftmals auch die Frauen der Nachbarschaft. Die Arbeit begann bei Sonnenaufgang und es folgten verschiedene Phasen: Für die Vorbereitung des Teiges und danach der Formen sowie für das Backen sorgten drei Frauengruppen, von denen jede über besondere Fähigkeiten verfügte. Die höchste Form der Spezialisierung wurde dem Dekorieren abverlangt. Sie werden mehr über die Geschichte des Brotbackens und die unzähligen Herstellungsarten in den vielen Brotmuseen erfahren, die über Sardinien verteilt sind, so wie in Arzachena, Borore, Monteleone Roccadoria, Olmedo (wo jedes Jahr eine Brotkrippe aufgestellt wird), Pompu, Sanluri und Siddi.
Frammentu oder Madrighe sind in Sardinien die am weitesten verbreiteten Namen für den Sauerteig, einem unverzichtbaren Teil der tief verwurzelten Tradition des Brotbackens. Oder besser gesagt der Brote, weil jeder Ort besondere Zubereitungen und eigene Formen zu bieten hat. Auf der Insel ändert sich alles von Ort zu Ort, auch das einfachste Lebensmittel. In den Gebieten des nördlichen Zentrums ist das herkömmliche Brot meist dünn, im Süden hingegen dicker. In den Übergangszonen zwischen verschiedenen Makrogebieten stößt man auch auf „Grenzbrote“. Typisch für die Barbagie sind die sehr dünnen, runden Scheiben, dem Carasau, das Musiktöne hervorzubringen scheint: Es wird auch als „Musikpapier“ bezeichnet. Die lange Haltbarkeit der knusprigen Fladen, die mit dem langen Fernbleiben der Hirten auf der Wanderschaft zusammenhängt, beruht auf dem doppelten Backvorgang. In Ollolai wird es Pane ‘ine genannt. Der Unterschied liegt sowohl in der Bezeichnung, aber auch in der Dicke und im Durchmesser der Flade. In Orani und anderen Orten der Barbagia ist es weicher und zusammengeklappt und trägt den Namen Pane lentu oder Modde. In Mamoiada wird der Teig durch Beigabe von Kartoffeln weicher gemacht. Geschmackhafte Variante davon ist Guttiau, das leicht mit Salz und Öl geröstet ist. Erster Gang mit Carasau ist das Pane Frattau: Die in heißer Brühe eingeweichten und schichtweise übereinander gelegten Fladen werden mit Tomatensauce und reichlich Schafskäse garniert. Darauf wird ein pochiertes Ei gelegt. Zurück von der Transumanz bereiteten die Hirten Su Coccu zu, ein nicht aufgegangenes Weizenfladenbrot, das auf der Feuerstelle unter Asche und Glut gebacken wurde.
Aus der Ogliastra kommen die kleinen, dicken rechteckigen Blätter Su Pistoccu, einem harten Fladenbrot, das sich auch Monate nach dem (doppelten) Backvorgang hält. Vermutlich ist es das älteste, im „Land der Hundertjährigen“ und auch auf der gegenüberliegenden Seite in Montiferru, Marghine und Planargia zubereitete Brot. Die Zutaten sind Hartweizengrieß und -mehl, Wasser, Salz und Hefe. Die geschickten Hände der Hausfrauen verleihen, je nach Herkunftsort, dem Pistoccu, das bis heute denselben Duft und den ländlichen Geschmack wie anno dazumal bewahrt hat, unterschiedliche Formen und Dicke. Es kann trocken, aber auch mit ein wenig Wasser erweicht gegessen werden, was es noch schmackhafter macht, und mit Rohschinken, Bauchspeck, Backenspeck, Schafskäse und dem typischen Käse Casu Axedu garniert werden. Ein anderes, dünnes, aber viel weicheres Brot ist die Spianata, die in Ozieri beheimatet ist. Es fehlt nicht an Varianten: In Busachi und Bonorva heißt es Su Zichi, im Logudoro Sa Fresa, in Form einer runden, dünnen Flade, die zweimal im sehr heißen Ofen gebacken wird, wobei der zweite Backvorgang dazu dient, es „knusprig zu backen“. Auch mit der Spianata wird ein anderes berühmtes Gericht zubereitet, die Suppa Cuata, die in der Gallura zuhause ist. Ein großes Brot, das viele Orte vereint – von Scano Montiferro bis Cheremule, von Gonnosfanadiga bis Bono – ist Sa Corona, aus hartem Teig.
Das Fladenbrot Civraxiu oder (große) Su Pani Mannu aus dem Campidano, schmeckt am besten frisch aus dem Ofen. Dessen Name kommt aus dem lateinischen Wort Cibarius, „Lebensmittel schlechthin“. Es ist das beliebteste Brot Südsardiniens, das Brot des täglichen Lebens. Sanluri ist seine Wahlheimat, daher wird es auch als Pane di Sanluri bezeichnet. Doch sehr berühmt (und sehr gut) sind auch die aus Giba und Santadi, im unteren Sulcis. In einigen Orten wird es in kleinerer Ausführung Su Moddixi oder Moddizzosu genannt, das Sonntags- oder Festtagsbrot. Eine ebenfalls kleine, aus dunklem Mehl hergestellte Variante ist das (schwarze) Su Pani Nieddu. Früher wurde es vor allem von Bauern gegessen und wurde als „Brot der Armen“ angesehen. Nach Giovanni Lilliu, „dem Vater der sardischen Archäologie“, war die Zubereitung des Civraxiu bereits Ende des 18.Jh. üblich. Dieses Brot ist nicht nur in Südsardinien beheimatet, sondern man findet es auch unter dem Namen Pane Tundu in Thiesi, im Logudoro, einem historischen Gebiet, wo das typische Brot dünner, länger und gelöchert ist und als Pane Segadu bezeichnet wird. Varianten davon, anders in Form und Größe sind Sa Loriga (Ring), typisch für Villaurbana und Sa Moddighina aus Tramatza, wo man auch Sa Corroghedda (kleine Krähe) kosten kann. Eine weitere Spezialität ist Sa Costedda, das Civraxiu ähnlich ist, frisch gegessen wird und mit feinstem, mit Su Frammentu aufgegangenem Mehl zubereitet wird. Gefüllte, belegte Spezialbrote sind Ableitungen von Sa Costedda: Mit Ricotta-Käse, Rosinen, Oliven und Tomaten. Besondere Erwähnung verdient Su Pan’e Gherda, mit Schweinegrieben, eine sehr schmackhafte Spezialität aus dem Gebiet um Nuoro.
Su Coccoi ist das edle Brot par excellence, das zu besonderen Anlässen gegessen wird. Es wird aus Grieß zubereitet, so dass es als Sa Simbula (Grieß) in Fordongianus und Urzulei bezeichnet wird. Dieses Brot ist die Grundlage für das reiche Erbe der verzierten Brote. Einige davon werden bei religiösen Feiern verwendet, wie z.B. Su Pane e Sposos (des Hochzeitspaars). Is Coccois Pintaus (Gemälde) sind charakteristisch für Festlichkeiten und unterscheiden sich durch ihre diversen Formen. Die berühmtesten sind die „blattartig“ verzierten, die in reichen Familien als tägliches Gericht gegessen wurden. Is Coccois de Pitzus, die kammartig verziert sind, werden ausschließlich bei Festen verwendet und weisen folgende unterschiedliche natürliche Formen auf: Früchte, wie Granatapfel, Blumen- oder Rosensträuße, Fische, Vögel und Schildkröten. Oder nehmen die Form einer Rolle an (Imboddiada). Die mit Mädchen-, Halsketten-, Schlüssel- oder Entenkükenform werden für Kinder zubereitet. Speziell ist Su Coccoi cun S’ou, aus erlesenem Grieß mit hartem Ei, das ausschließlich für die Osterfeiertage verwendet wird. Apropos Feste: Su Candelariu ist ein sehr dünnes Silvester-Brot, einem Anlass, zu dem man auch Sa Ertussita in Kringelform zubereitete; Sas Coccas ist ein Fladenbrot, das im Gebiet von Nuoro zu Ferragosto (Mariä Himmelfahrt) gebacken wird; Sa Cozzula wird zu Hochzeitsfeiern zubereitet, ist kronenförmig, wird in die Kirche gebracht und dem Mesner geschenkt. Und schließlich ist auch Su Maritzosu ein Brot für besondere Anlässe.