Eine ungewöhnliche Landschaft auf halbem Weg zwischen Alghero und Stintino: verlassene Bergbauanlagen und ein (fast) unbewohntes Dorf, das mit silbernen Felsklippen und schillernden Reflexen des Meeres besticht. Argentiera konnte den ursprünglichen, geheimnisvollen Charme eines Ortes bewahren, wo die Zeit stillzustehen scheint. Nach der Zeit des zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert hier verwurzelten Bergbau-Epos ist es heute eine der bedeutendsten und eindrucksvollsten europäischen Stätten der Industriearchäologie, integrierender Bestandteil des geologisch- bergbaulichen Parks Sardiniens sowie Unesco-Weltkulturerbe. Ruinen erheben sich neben Neubauten inmitten von steilen Felswänden, Bergen von Bergbauschlacke und kleinen Buchten, die über Wege durch die unberührte Natur erreichbar sind. Eine wahrlich spektakuläre Kulisse, die 1968 Schauplatz der ersten Szene des Films „Brandung“ mit Betty Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen war und heute Ziel für Wanderungen ist.
Argentiera, ein Ortsteil von Sassari, das 43 km entfernt liegt, stand im Mittelpunkt von Umweltsanierung sowie Stadterneuerung und wurde ab 2019 zu einem innovativen Freilichtmuseum. Über die Bundesstraße 291 und die Provinzstraße 18 gelangt man zum Hauptplatz des Dorfes, das in seiner Blütezeit zweitausend Einwohner zählte. Heute leben hier das ganze Jahr über ein paar Dutzend Menschen. Ein Badeort, der nie - auch nicht im Sommer - überfüllt ist, wo Stille und eine magische Atmosphäre herrschen.
Der Name stammt von dem hier abgebauten Mineral und der Farbe der Felsen. Zusammen mit dem benachbarten Canaglia bildete es dank der reichen Blei- Zink - und Silbervorkommen, die schon in der Antike bekannt waren, das wichtigste metallhaltige Gebiet Nordsardiniens. Die römischen Prokonsuln begannen mit dem Abbau von Mineralien in der Argentiera-Bucht, denen im Mittelalter die Pisaner folgten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden verschiedene Spekulanten angelockt, darunter Honorè de Balzac, der 1838 hier eine abenteuerliche, aber recht vergebliche Erkundung unternahm. Die Mine wurde zwei Jahre später offiziell eröffnet, obwohl der Abbau eigentlich erst 1867 begann und genau ein Jahrhundert dauerte. Eine Geschichte, die aufgrund von Erosion mit vielen Einstürzen und Unfällen verbunden war. Auch Legenden ranken sich um die Unglücke: So mancher behauptet, Schatten von Menschen oder verschwommene Gestalten gesehen und metallische Geräusche aus der Tiefe gehört zu haben, so als ob die Seelen der lebendig begrabenen Bergleute in den Stollen umherziehen würden.
Die erste Bewilligung wurde der Adeligen Angela Tola erteilt. Trotz der reichlichen Ressourcen waren die Betriebskosten untragbar, so dass die Abtretung an die Allgemeine Bergbaugesellschaft unausweichlich war, die eine beachtliche Entwicklung mit sich brachte. Sie beschäftigte 400 Arbeiter, deren Berghütten älter als die Siedlungen sind, die sich in Meeresnähe entwickelt haben. Ende des 19. Jahrhunderts gab das Unternehmen Correboi von Baron Podestà weitere Impulse: Die Stollen wurden verlängert und mit Gleisen versehen, ein neuer Steg wurde gebaut und ein Schacht gegraben; zum ersten Mal wurde unter dem Meeresspiegel bis -333 m abgebaut. In der Zwischenzeit verbesserten sich auch die Lebensbedingungen, die Gemeinde verfügte über eine Krankenstation, einen Kindergarten, ein Gästehaus und einen Laden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand oberhalb von Porto Palmas Cala Onano, das von der parlamentarischen Untersuchungskommission für die Minen des Zeitalters von Giolitti als vorbildliches Arbeiterdorf bezeichnet wurde. Danach ging es an die Pertusola-Gesellschaft über und es kamen ein Kino, eine Freizeiteinrichtung, die neue Residenz für den Direktor, die Kirche St. Barbara und die große Waschanlage aus Pechkieferholz, eines der beeindruckendsten Bergbaudenkmäler, hinzu. Eine 20-jährige Krise führte 1964 zur Einstellung des Betriebs und drei Jahre später zur Schließung der Anlage.
Kürzlich wurden der Schacht und die Waschanlage saniert und restauriert sowie die Anlagen und die Gebäude gesichert. Von der Kirche aus führt eine Treppe hinunter zu beleuchteten Terrassen, die mit mediterranen Pflanzen übersät sind. Am Ende der Treppe befindet sich ein freier Platz, auf dem jedes Jahr Ende Juli ein Literaturfestival stattfindet. Mit dem Open MAR, dem ersten Freilicht - Bergbaumuseum wurden die Sanierungsarbeiten fortgesetzt und ein Rundgang durch Häuser und Anlagen geboten, auf dem man digital zugängliche Installationen sehen kann.