Santu Pedru ist das Viertel, in dem einst die Viehzüchter lebten, und bildet zusammen mit dem Viertel Seuna, den alten Stadtteil von Nuoro. Hier, in einem typischen Haus der wohlhabenden Barbagia-Klasse, wurde Grazia Deledda 1871 geboren und lebte bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 1900. Im darauffolgenden Jahr zog die größte sardische Schriftstellerin nach Rom und kehrte nur noch sporadisch in ihre Heimatstadt zurück, so dass das Haus verkauft wurde. Die Gemeinde Nuoro kaufte es 1968 zurück und übergab es dem Istituto superiore regionale etnografico (ISRE - Regionales ethnographisches Institut), das dort dank der Mitarbeit der Erben der Künstlerin ein Museum einrichtete, das 1983 eröffnet wurde. In den zehn Sälen, die über drei Stockwerke des Hauses verteilt sind, kann man die unauflösliche Verbindung zwischen Deledda und ihrem Herkunftsort entdecken und eine Zeitreise durch Zeugnisse der Kultur und Gesellschaft von Nuoro um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert machen.
Beim Besuch des Museums sind Bilder, Texte und Gegenstände, die der Literaturnobelpreisträgerin in ihrer Kindheit und Jugendzeit gehörten, sowie Dokumente aus ihrer Zeit in Rom zu sehen. Die Räume sind nach den Beschreibungen im Roman „Cosima“ ausgestattet und eingerichtet, insbesondere Küche und Speisekammer. Hier sind das Original der Urkunde und der Medaille des ihr 1926 in Stockholm verliehenen Nobelpreises mit Bildern und Auszügen aus der Rede, die sie bei der Verleihung hielt, zu sehen. Im ersten Stock befindet sich ein Raum, der der Kulturlandschaft von Nuoro gewidmet ist: „Nuoro, das Athen der Sarden“. Ursprünglich war er das Gästezimmer, in dem heute Werke, Bilder und biografische Angaben von sardischen Künstlern wie Francesco Ciusa und Sebastiano Satta aufbewahrt werden. Im obersten Stockwerk hingegen befindet sich das Schlafzimmer, das von den autobiografischen Beschreibungen in ihren Werken inspiriert ist.
Auf einer Tafel im Laubengang des Innenhofs sind Geschichte und Merkmale des Hauses beschrieben. Von hier aus gelangt man in den Innenhof, der von zwei jahrhundertealten Eichen beschattet wird und mit Bänken und Säulenregalen mit Büchern verschiedener Autoren zum Verweilen und Lesen einlädt. Im Sommer wird der Innenhof zum Schauplatz von Kulturveranstaltungen. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts war Nuoro ein Zentrum regen künstlerischen und literarischen Lebens, wovon zahlreiche Kulturstätten zeugen: das Museo Ciusa, das dem berühmten Bildhauer gewidmet ist, der 1907 auf der Biennale von Venedig ausgezeichnet wurde; daneben das Kunstmuseum von Nuoro (MAN) mit internationalen Wechselausstellungen und Werken sardischer Künstler; dann das Museo della Vita e delle Tradizioni popolari sarde, ein völkerkundliches „Schatzkästchen" mit Schmuck, Trachten, Masken und Zeugnissen des immateriellen Kulturerbes der Insel, wie der Gesangstradition Canto a Tenore. Am Fuße des Monte Ortobene, der in Deleddas Romanen als „Seele“ der Bewohner von Nuoro gerühmt wird, kann man die Chiesetta della Solitudine (die kleine Kirche der Einsamkeit besichtigen, die letzte Etappe auf der Reise ins Deledda-Nuoro: Hier ruht Grazia.