Aus ihren Werken spricht stille Poetik der Steine Sardiniens, jene prähistorischen Steine der Nuraghen, der Domus de Janas, der Gigantengräber, der heiligen Quellen und der antiken Felsen, der Zeugen zeitloser geologischer Ären und gewaltiger Naturkatastrophen. Costantino Nivola und Pinuccio Sciola genügten nur wenige Zeichen, um die Seele ihres Landes sowie die in ihren Tiefen verborgene kosmische und materielle Energie zu erfassen. Sie bringen sie in ihren Skulpturen mit außergewöhnlicher Sensibilität und Fähigkeit zur Synthese kubistischer, surrealistischer und primitiver Kunst zum Vorschein.
Das taten sie mit Ausdruckscodes, die ebenso anders sind wie ihre künstlerische und persönliche Geschichte. Bei Nivola ist sie durch die Trennung von der Barbagia geprägt, wo man ihn Antine nannte. Bald schon wurde er in New York als Tino gefeiert, wo er in die Wiege der künstlerischen Avantgarde die archaische Welt Sardiniens, die pastorale Kultur und die archetypische Weiblichkeit von Mutter Erde legte. Sie waren seine emotionale und künstlerische „Nahrung“ im fremden Land und auch eine sehr starke Erinnerung an die ferne Insel, auf die er oft zurückkehrte, um vor Ort mit innovativen Formen der Konzeptkunst zu experimentieren.
Er kam oft nach Sardinien, in seinen Geburtsort Orani zurück, wo seine Werke in dem nach ihm benannten Museum ausgestellt sind. Es ist eine Ausstellung von internationaler Bedeutung, die mit anderen auch berühmteren Ausstellungen vergleichbar ist, eines jener Museen, über die man im wunderschönen Natur- und Kulturraum der Barbagia nicht überrascht ist. In Nuoro widmete er dem Dichter Sebastiano Satta einen Platz mit unbehauenen Granitsteinen, die in kleinen Figuren seine Persönlichkeit verkörpern. In Cagliari stellte er seine monumentalen Muttergöttinnen auf, die gediegen und essentiell, aber von jenem Primitivismus durchdrungen sind, der über die Horizonte der zeitgenössischen Kunst hinausgeht.
Es waren die Jahre, in denen Sciola begann, Steine zu zerschneiden und zu durchbohren, um deren „Urlaut“, die Klänge des im Basalt eingeschlossenen Feuers und des im Kalkstein verwobenen Wassers freizusetzen. Er präsentierte sie erstmals in Berchidda bei der Ausgabe 1996 von Time in Jazz, wo sie vom Schlagzeuger Pierre Favre unter Begleitung der Trompete von Paolo Fresu gespielt wurden. Seit damals haben die Klangsteine von Sciola nicht aufgehört, mit atavistischen und siderischen Sprachen kundzutun, dass sie lebendig sind und die Erinnerung, Klänge und Poesie von Mutter Erde hüten.
Der berühmte Architekt Renzo Piano hat einen riesigen Klangstein im Garten des Auditoriums des Musikparks in Rom aufgestellt. Der große Dichter Jacques Prévert wollte einen Klangstein auf seinem Grab, da er meinte, dass er die Stimmen „anderer Welten“ auffangen könne. Ein Stein der Reihe „Samen des Friedens“ ist in Assisi, auf dem Grabmal des Hl. Franziskus. Sollten Sie jedoch ganz in die überirdische Sensibilität von Sciola eintauchen wollen, besuchen Sie den Museumsort San Sperate, dessen Mauern mit über 300 Wandmalereien geschmückt sind. Sie werden in dem fantastischen Klanggarten zwischen seinen Skulpturen spazieren und ein auf Sardinien weit verbreitetes Gefühl verspüren: Die Steine sind lebendig und bewahren die Erinnerung.